Reisebericht Chile 2003
Santiago de Chile
Freitag ging’s zu meiner letzten Station nach Santiago. Hier musste ich das erste Mal auf meiner Reise etliche Zeit durch die Gegend laufen, bis ich eine annehmbare Unterkunft mit annehmbarem Preis gefunden habe. Auf den ersten Blick hat die Stadt nichts Attraktives und ich habe mich gefragt, was ich hier vier Tage lang machen soll. Aber als ich spät abends aus dem Kino kam (das erste Mal nach zwei Monaten) und das Leben um halb elf (Freitagabend) erst richtig zu pulsieren begann, habe ich ganz langsam ein Gefühl für die Stadt bekommen. Hier eine Zusammenfassung der Dinge, die ich gesehen habe:
Der Wachwechsel vor La Moneda, dem Präsidentenpalast. Viel militärischer Tamtam mit Gewehren inkl. Bajonettaufsetzen, Säbeln und Militärkapelle, aber recht interessant. Insgesamt waren sicher an die 100 Mann beteiligt. Sehr überrascht war ich, als die Kapelle “Stars and stripes forever” gespielt hat. Nicht, dass ich das erkennen würde, ich habe die Noten gesehen. Chile ist wirtschaftlich sehr eng an die USA gebunden und deshalb gibt es dann wohl auch symbolische Solidaritätsbekundungen, obwohl die Bevölkerung hier den Krieg genauso ablehnt wie der Großteil des Restes der Welt.
Nett ist zu wissen, warum das Ding La Moneda heißt, also eigentlich den Namen einer Münzpresse trägt: Vor 200 Jahren sollten in Santiago ein Präsidentenpalast und in Peru eine Münzpresse gebaut werden. Irgendwie hat man es nicht nur geschafft, die Pläne zu verwechseln, sondern die Gebäude auch noch fertig zu bauen, bevor jemand den Fehler erkannt hat. Deshalb gibt es in Peru jetzt eine sehr feudale Münzpresse und hier einen vergleichsweise schlichten Präsidentenpalast.
Den besten Kaffee in der Stadt bekommt man im Café Caribe und ähnlichen Etablissements, sehr seltsamen Einrichtungen. Von diesen Cafés con piernas (Café/Kaffee mit Beinen) gibt es hier ein paar und die Bedienungen tragen die wirklich knappst denkbaren Kleidchen, eng und kürzer als die von Ally McBeal. Im Reiseführer steht sogar, dass man als Frau hier nur in Begleitung hingehen sollte, obwohl die Cafés völlig offen mitten in der Hauptfußgängerzone liegen. Wer’s nötig hat … und ehrlich gesagt sieht man auf Santiagos Straßen viel schönere und aufreizendere Frauen.
Besuch des Marktes hier: Beim Anblick der Fische ist mir das Wasser im Mund zusammengelaufen, wow. Der kalte Pazifik ist extrem fruchtbar. Was sind Thunfische nicht für riesige Dinger. Hier der ultimative Tipp (Danke, Felix!): wenn Ihr herkommt, probiert die Machas a la parmesana, überbackene Muscheln, einfach umwerfend.
Einen schönen Blick über die Stadt hat man von zwei kleineren Bergen, Cerro Santa Lucia (60m) und Cerro San Christobal (300). Am allerbesten allerdings war der Blick von einem der umgebenden Berge, auf dem mich Rosmarie, eine ehemalige Schulkameradin einer lieben Bekannten gebracht hat. Obwohl die Luft für hiesige Verhältnisse sehr gut war, verschwinden etliche der umgebenden Berge bereits hinter Smog-Dunst. Im Winter wird die Situation fast unerträglich und man versucht vergeblich, den Autoverkehr einzuschränken, indem nur noch Autos mit bestimmten Endnummern auf dem Nummernschild fahren dürfen. Was macht man also? Schafft sich ein zweites Auto mit anderer Nummer an … Wenn es geregnet hat, der Regen die Luft rein gewaschen hat und der Blick auf die Berge frei ist, muss das Panorama umwerfend sein, besonders wenn die Berge schneebedeckt sind.
Rosmarie hat mir außerdem die unterschiedlichsten Wohnviertel gezeigt, von fantastischen Altbauten bis zu den riesigen Villen der Reichsten der Reichen. Sehr interessant und teilweise auch sehr, sehr schön. Phantastisch ist auch der Palacio Cousiño, dem ehemaligen Wohnhaus einer sehr reichen Familie, das im Originalzustand erhalten ist bzw. restauriert wurde. So eine Pracht (mit richtig viel Geschmack) habe ich wohl noch nie gesehen. Fotografieren leider verboten.
Schön war auch ein Ausflug ins Valle del Maipo, wo die Luft besser wird und sich das Tal zu einer Schlucht verengt, die beeindruckende Panoramas bietet.
Bis Dienstag war mir die Stadt dann recht sympathisch geworden, aber es half nichts, ich musste ins Flugzeug und auf die lange Rückreise. Allein der Flug nach Brasilien dauerte über fünf Stunden mit ZWEI Stopps in Paraguay, über den Teich in elf Stunden, sechs Stunden in Paris (genutzt für einen Kaffee in dieser wunderbaren Stadt) und dann nach mehr als 24 Stunden endlich heim. Was für eine Reise.
Ein letztes Mal im Rahmen dieser Berichte beste Grüße, diesmal aus München.
Ich freue mich, die Bayern unter Euch bald zu sehen.
Volker