Eine abenteuerliche Anreise. Buenos Aires: Tango und Warten aufs Gepäck.

Reise­bericht ­Argentinien 2003
Buenos Aires

4. Februar 2003

Liebe Freunde!

Ich bin Sonntagmorgen in Buenos Aires eingetroffen. Der Weg dorthin war schon das erste Abenteuer. Wir saßen gerade in unserem Flieger nach Paris, als die Durchsage kam, dass sich unser Start wegen Schneesturm in Paris um ein paar Minuten verzögern würde. Dann kamen ein Orangensaft und die Durchsage, dass wir erst in zwei Stunden starten könnten, nun die Sitze waren einigermaßen bequem. Dann durften wir aussteigen, uns wurde mitgeteilt, dass dieser Flug gestrichen war. Als Alternative gab es einen Flug um 19 Uhr, der aber auch unsicher sei. Da stand ich nun mit Zuleidi und Ingo, die den gleichen Weiterflug um 21 Uhr nach Sao Paulo erreichen mussten. Die erste Betreuerin der Lufthansa wollte sich gleich weigern, uns überhaupt nach Paris zu schicken, da wir unseren Anschluss wohl verpassen würden, am nächsten Tag sei alles voll und dieses Risiko (Übernachtungen!) könne die Lufthansa nicht eingehen. Gott sei Dank, hatte sie dann gleich Feierabend und wir wurden einer Kollegin übergeben. Diese versuchte vergeblich, irgendwen von TAM zu erreichen, und schließlich entschieden wir, den späteren Flug nach Paris zu nehmen, in der Hoffnung, dass unser Anschlussflug ebenfalls Verspätung habe.

Kurz vor neun hatten wir das Flugzeug in Paris verlassen, hetzten durch den Flughafen, bis wir einen Informationsschalter fanden. Wir drängelten uns vor: Ja, der Flieger hat Verspätung, ist noch da, aber wie viel Verspätung stand nicht im Computer. Abflug in völlig anderem Terminal. Ein Sprint, eine Busfahrt, noch ein Sprint, wir waren noch nicht einmal eingecheckt. Wieder vorgedrängelt, gegen massiven Protest, eine Fehlinformation, zwei Sprints hin und zurück, nochmals vorgedrängelt. Eine völlig genervte Air France Mitarbeiterin, die uns nicht einchecken wollte, weil der Flieger eh schon weg sei, überredet, es doch zu versuchen, noch ein Sprint und wir kamen als letzte im startklaren Flieger an und bekamen dann auch noch die besten Sitzplätze überhaupt. Last Euch übrigens nicht abschrecken, falls Ihr noch nie von der TAM gehört hat, so abfällig wie sich die Lufthansa-Kollegen geäußert hatten, so komfortabel war der Flug.

In Buenos Aires angekommen bestätigte sich dann das, was ich mir gedacht hatte: Unser Gepäck hatte den Sprint durch den Pariser Flughafen nicht mitgemacht, aber es kommt hoffentlich bald. Mittlerweile wurde es in Sao Paulo gesichtet und soll “diese Tage” bei mir eintreffen.

Ich habe mir ein Zimmer in einem Hotel in San Telmo genommen, dem zumindest architektonisch ältesten Stadtteil. Obwohl ich einen Reiseführer von 2003 habe, sind die Preisinformationen alle falsch: alles kostet bis zur Hälfte weniger. In diesem Fall sind Touristen die Krisen-Schmarotzer. Das Wetter war bewölkt, schwül bei knapp über zwanzig Grad. Ich war nur so lange enttäuscht, bis man mir erzählte, dass es bis vorgestern 42 Grad gehabt hat, das bisschen Regen ist also eine Schonfrist für meinen Deutschland-Winter-Kreislauf. Am Nachmittag bin ich Spazieren gegangen, habe meine ersten Tangovorführungen im Park gesehen (Glück gehabt, habe rausgefunden, dass das nur Sonntagnachmittag stattfindet), einen Kaffee getrunken und lasse dieses Land, die Mentalität der Leute und die Stimmung in mich einsinken.

Buenos Aires - ein Paar tanzt Tango auf der Plaza Dorrego
Tango sonntags auf der Plaza Dorrego

Montag:

Ich habe eine Stadtrundfahrt gebucht, und es stellte sich heraus, dass die darin bestand, dass mich ein Fahrer der Agentur, mit seinem Auto durch die Stadt fuhr, allein. Ich weiß jetzt gar nicht, ob er überhaupt Englisch gesprochen hätte (er konnte Dänisch!!!). Die Verständigung auf Spanisch war jedenfalls etwas eingeschränkt, da er wie manche Argentinier sehr starken Dialekt gesprochen hat. So hatte die Tour den Nachteil, dass ich auf die üblichen Anekdoten von Touristen-Führern verzichten musste, aber andererseits konnte ich ihn einfach bitten, anzuhalten, wenn wir an einem Park vorbeigefahren sind, der mir besichtigenswert erschien. Die Stadt hat sehr schöne Stellen und wirkt sehr (süd-)europäisch im Vergleich zu den Städten, die ich aus Mittelamerika kenne. Von der Krise sieht man nicht viel, zumindest, wenn man keinen Vergleich hat, das einzige, das auffällt, sind etliche leerstehende Häuser und Geschäfte.

Buenos Aires - der Präsidentenpalast
der Präsidentenpalast
Buenos Aires - Straße in La Boca
La Boca: Heimat des berühmten Fußballclubs, ehemaliges Künstlerviertel und jetzt SEHR touristisch.

Montag scheint hier in weiten Bereichen Ruhetag zu sein, viele Museen und Restaurants sind geschlossen. Ich habe dann in irgendeinem Restaurant gegessen: Ich habe mir bisher eingebildet, schon einmal (wenn auch selten) gutes Rindfleisch gegessen zu haben: Falsch. Für einen Spotpreis habe ich das beste, zarteste und größte Steak bekommen, dass ich mir nur vorstellen kann. Leider bin ich niemand, der jeden Tag Fleisch ist, sonst wäre das Land schon von daher ein Paradies.

Auf meinen Wegen durch die Stadt, bin ich an einem Plakat für eine Tangovorführung vorbeigekommen. Die Infos sahen gut aus, und ich habe mich nicht davon abschrecken lassen, dass man in dem Cafe / Theater keine Plakate der Veranstaltung hängen hatte. Ja, da wäre immer montags Tangostunde (konnte leider nicht teilnehmen, da ich keine passenden Schuhe hatte und ich es keiner Frau zumuten wollte, mit mir zu tanzen, nachdem ich seit Tagen die gleichen Klamotten trage), dann eine Show. Pustekuchen Tangoshow: Ich wurde von einer Variete-Vorstellung mit Tanz, Gesang, Comedy und Travestie überrascht. Leider ist mein Spanisch nicht gut genug, dass ich alles verstanden hätte, aber es war trotzdem gut, schön und witzig. Danach stellte sich heraus, dass der Besuch noch aus anderer Hinsicht ein Glücksgriff war: Offensichtlich war ich an einen der wenigen Orte gekommen, wo Einheimische für sich Tango tanzen, auf durchwegs gutem bis sehr hohen Niveau: was für ein Tanz!

Dienstag:

Mein Rucksack soll angeblich heute Morgen kommen … ich bete darum. Würden die Waffeninspektoren meine Socken bei Saddam finden, dann könnte das als Besitz von Biowaffen gewertet werden.

Ich bereite mich jedenfalls auf meinen letzten Tag hier in der Stadt vor, werde noch ein wenig durch die Parks streifen, meine weitere Reiseroute planen (Ziel sind die Wasserfälle von Iguazu, aber ich weiß noch nicht, ob ich in Argentinien bleibe, oder auch noch Uruguay und Brasilien mitnehme.) und heute Abend wahrscheinlich noch in eine richtige Tangovorführung gehen, die sehr gut (aber extrem touristisch) sein soll. Ich werde berichten.

Beste Grüsse aus Buenos Aires, Argentinien

Volker

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