Fortsetzung der Rundreise durch die Region von Salta. Exkurs über den Umgang mit den Einheimischen. Abenteuerliche Fahrt durch die Wüste. Salzsee. Siete Colores. Purmamarca. Reiten.

Reise­bericht ­Argentinien 2003
Salta – Teil 2

An dieser Stelle möchte ich die Möglichkeit nutzen, um ein wenig auf die Menschen hier einzugehen. Wohin man kommt, ist die Freundlichkeit überwältigend. Ich habe zudem den Eindruck, dass es hier viel einfacher ist, mit den Einheimischen in ein richtiges Gespräch zu kommen, als es in Mittelamerika ist. Dort hatte ich den Eindruck, dass es eine große kulturelle Hürde gibt, die automatisch eine Trennung in “Wir” und “Ihr” erzeugt, dies ist hier nicht der Fall. Außerdem ist sowohl das Interesse als auch die Gesprächs- und Informationsbereitschaft groß. Es gibt durchaus Gespräche, die völlig anders verlaufen, als es bei uns der Fall sein würde: Der Kellner in dem Hotel, in dem wir die Nacht nach unserer “Panne” verbracht haben beispielsweise. Er erkundigte sich, wo wir her sind. England und Deutschland. Ja, aber wo wir denn leben würden. In London und München. Hmm … Ich erklärte ihm, dass wir nur Freunde sind, und dass wir uns erst vor ein paar Tagen kennengelernt hätten, und dass wir uns auch bald wieder trennen würden, da Priti nach London zurückkehren würde und ich weiter reisen würde. Das alles fragte er so sympathisch und mit einer kindlichen Unschuld, dass es irgendwie einfach nett war. Trotzdem ich ihm zu verstehen, dass wir jetzt einfach gerne essen würden, und dass das Gespräch vielleicht doch etwas zu persönlich wurde. Einige Zeit später kam er wieder und fragte, ob ich denn sehr traurig sein würde, wenn Priti abreisen würde. Ich sagte, dass es schon traurig sei, da wir eine schöne Zeit zusammen hatten. Und dann fragte er einfach und so spontan, dass wir einfach antworteten, ob wir denn jeweils Single seien, eine Frage, die wir uns nicht einmal gegenseitig gestellt hatten … Aus der Antwort zog er den Schluss, dass es doch kein Hindernis gäbe, erkundigte sich nach Flugverbindungen zwischen München und London, empfahl uns zu telefonieren und zu schreiben … Schließlich kam er nochmals und wünschte uns, dass wir uns nie trennen müssten. Wie gesagt, alles so sympathisch, dass wir bei aller Verletzung der Intimsphäre einfach nur amüsiert waren.

Etwas kritisch ist der Umgang mit Kindern hier, sie sind oft der einzige klare Hinweis auf die Armut, die hier teilweise herrscht, auch wenn es meinem Eindruck nach deutlich besser ist, als in weiten Bereichen Mittelamerikas. Immer wieder kommen Jungen und Mädchen, bitten um etwas Geld. Ich habe mich irgendwann entschlossen, kein Geld an bettelnde Kinder zu geben, statt dessen bekommen sie gerne etwas Brot oder ein Croissant, wenn wir gerade in einem Restaurant sind, wenn nicht, habe ich immer ein paar Bonbons in der Tasche, das ist für sie immer eine kleine Freude, auch wenn ich lieber etwas Gesünderes schenken würde. Aber welches Kind mag schon gesunde Sachen, außerdem kann ich nicht ständig eine Menge Äpfel mit mir herumschleppen. Wie gesagt, ist das für die meisten Kinder in Ordnung, sie freuen sich, aber in dem einen oder anderen Gesicht habe ich auch schon tiefe Verzweiflung gesehen, die berührt und bei der ich mich frage, ob es nicht doch irgendwie möglich ist zu helfen. Aber ich kann nicht ständig irgendwelche Stoffllamas kaufen, die ich nicht brauche. So bleibt die Hoffnung, dass bei der Art, wie ich reise, auch Geld bei den kleinen Leuten hängen bleibt. Und vielleicht sollten wir alle am Ende des Jahres überlegen, ob wir nicht noch eine Spendenquittung für unsere Steuererklärung brauchen könnten …

Okay, back to the story. Wir waren also hängen geblieben, der Mechaniker kam, fand das Problem schnell und war auch zuversichtlich, es zu lösen, gab uns aber trotzdem den Ersatzwagen und es ging weiter. Wir hatten eigentlich geplant, am ersten Tag bis nach Purmamarca zu kommen, entschieden uns dann aber, lieber in San Antonio de los Cobres zu bleiben, wo ich meine ersten (und bisher auch letzten) Tees aus Coca-Blättern getrunken habe (wir waren auf fast 4000m, soll ja helfen). Schmeckt wie Pfefferminztee, Wirkung habe ich keine gespürt. Abends haben wir noch etwas die Sterne und den Mond durchs Fernglas beobachtet, was in dieser Höhe und bei max. 10% Luftfeuchtigkeit ein Erlebnis ist.

Anmerkung: Mir fehlen leider viele Bilder von diesem Teil der Reise, da meine %$§#%$-Kamera ein Problem hatte, dass ich leider zu spät entdeckt habe (ich liebe meine Kamera, aber sie hat leider Macken). Daniel Quadt, ein anderer Reisender, hat mir freundlicherweise mit ein paar Bildern ausgeholfen.

Am nächsten Morgen ging es weiter Richtung Norden, unser erstes Ziel waren Salzseen. Wir nahmen zwar erst die Route 40, entschieden uns dann aber aufgrund einer Karte im Rough Guide für eine Abzweigung … als wir dann den Text zu dieser Route lasen, war es eigentlich zu spät zum umkehren. Der Weg war in Ordnung, aber für einen Polo echt hart, immer wieder fragten wir uns, wo wir wohl hinkämen, ob wir richtig seien, was wohl passieren würde, wenn das Auto zusammenbrechen würde. Ich hatte also immer im Hinterkopf, dass wir in Laufentfernung (also weniger als 20 Kilometer) zur nächsten Siedlung (=einsames Haus in der Mitte von Nichts) blieben, dass wir auch ja genug Sprit und Wasser hatten. Aber die Strecke hat sich trotz aller unterdrückter Bedenken gelohnt, Abenteuer pur und wir haben sogar einen Vogel Strauss (bzw. seinen kleineren südamerikanischen Verwandten) gesehen. Bei einem der Häuser haben wir gehalten, ein Photo gemacht. Sofort kam einer der Bewohner gelaufen, begrüßte uns. Keines seiner Worte war zu verstehen, er war offensichtlich betrunken, hatte den Mund voller Kokablätter. Aus einer seiner Gesten schloss ich, dass er etwas zu trinken haben wollte. Mir war zu diesem Zeitpunkt klar, dass er Alkohol meinte, und ich sagte ihm, dass wir nichts hätten. Im Nachhinein tut mir das etwas leid, denn vielleicht wollte er tatsächlich nur etwas Wasser … Koka ist hier ein gängiges Mittel um Durst zu unterdrücken. Einige Strecke später, als wir uns schon ganz erhebliche Sorgen gemacht haben, sind wir zwei Radfahrern begegnet, die unter einem Baum im Schatten standen und sich ausruhten (Mitten in der Wüste!!!), die beiden haben uns dann beruhigt, gesagt, dass die geteerte Strasse bald (20 km) kommt. Die beiden haben dann ganz normales Spanisch gesprochen und deshalb war es auch gar kein Problem, sie zu verstehen, und sie haben von uns eine Flasche Wasser (die waren ohne in der Wüste!!!) und eine Handvoll Bonbons (auch Zucker hilft gegen die Effekte der Höhe) zu bekommen. Ich sage Euch, ich war noch nie so glücklich über den Anblick einer richtigen Strasse, als sie endlich auftauchte und unsere Bedenken somit verschwanden.

Wir besichtigten den Salzsee, der durchaus beeindruckend war, aber kaum mit dem mithalten können wird, was mich in Bolivien erwartet. Dann ging es in die nächste Quebrada, durch ein Gebirge, wie wir es noch nie gesehen hatten. Die Gegend ist hier sehr erzhaltig, insbesondere gibt es auch Kupfer. Die verschiedenen Metalle sorgen dafür, dass man in nur einem Panorama bis zu sieben verschiedene Farben sehen kann (ohne die gelegentlichen bunten Pflanzen), alles von gelb über orange, rot, lila, blaugrau bis grün. (Wieder “wow wow wow” und Vertröstung auf die Photos.)

Siete Colores
Siete Colores (© Daniel Quadt)

In Purmamarca am Ende der Schlucht erholten wir uns beim späten Mittagessen von den Strapazen der Fahrt, von der Aufregung, aber auch von den Eindrücken, die das Hirn mit der Zeit überfordern. Dann ging es weiter nach Humahuaca, durch ein Tal, dass deutlich stärker besiedelt ist und das zwar auch noch einige tolle Panoramas zu bieten hatte, aber meiner Meinung nach etwas verblasst, gegen dass, was wir zuvor erlebt hatten. Ich war am Abend so müde (ich bin die ganze Strecke gefahren, da Priti ihren Führerschein nicht mit auf die Reise genommen hat, das war aber auch in Ordnung und hat Spaß gemacht), dass ich mich um acht ohne zu essen ins Bett gelegt habe und erst zwölf Stunden später wieder aufgestanden bin. Priti hat dort noch Live-Musik erlebt, was toll gewesen sein muss.

Straße durch die Berge der Region Salta
Straße durch die Berge der Region Salta (© Daniel Quadt)
Bergpanorama zwischen Cafayate und Salta
Bergpanorama zwischen Cafayate und Salta – selbst habe ich es leider nicht gesehen (© Daniel Quadt)

Am nächsten Morgen fuhren wir zurück, denn wir hatten uns entschlossen, nicht nach Iruya, einem idyllischen Bergdorf, zu fahren. Mit dem Polo wäre das ohnehin nicht möglich gewesen und mit dem Bus wären wir erst abends zurückgekommen und hätten dann noch mit dem Auto nach Salta gemusst. Kurz nach der Abzweigung nach Purmamarca, also als wir wieder auf unbekannter Strecke waren, gab es noch etliches an schlechten Straßen zu überstehen, bevor wir, auf einer ganz engen Straße in die nächste Wow-Zone kamen: Dschungelüberwucherte Berge, kein Verkehr, Tiere und gelegentlich idyllische Seen. Genauso glücklich, von Eindrücken überfrachtet und müde kamen wir schließlich in Salta an, sind Essen gegangen und dann ins Bett gegangen. Für uns steht fest, dass wir mit dieser Strecke, mit der Entscheidung ein Auto zu mieten, die beste aller möglichen Entscheidungen getroffen haben.

Und am folgenden Vormittag wieder eine Idee von Priti: Reiten. Wir sind ins nahe gelegne San Lorenzo gefahren und dort für drei Stunden durch wieder völlig andere und tolle Landschaft geritten. Das war gar nicht so schwer (zumindest weil es meistens nur im Schritt ging und ich mein Pferd nur gelegentlich zum traben bringen konnte), aber immerhin, dafür, dass ich das das letzte Mal vor zwanzig Jahren gemacht und damals runter gefallen bin, nicht schlecht, oder? Jedenfalls hat es mir Spaß gemacht und vielleicht finde ich auf dieser Reise ja noch mal Gelegenheit, meine Reitfähigkeiten etwas zu vertiefen.

Priti und Volker beim Reiten in der Region von Salta
Priti und ich beim Reiten in der Region von Salta

Jetzt ist Freitagabend und unsere Zeit in Salta neigt sich dem Ende. Priti fliegt morgen nach Buenos Aires zurück, um von dort nach London zurückzukehren, und ich werde morgen noch ein wenig Rafting machen und dann den Nachtbus an die Grenze von Bolivien nehmen.

Ich werde berichten.
Beste Grüße aus Salta, Argentinien

Volker

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