Valle Elqui, Hauptort der chilenischen Pisco-Produktion. Vicuña. Fast-Armageddon in der Sternwarte. Kurzstopp in La Serena. Gastfreundschaft in Viña del Mar. Valparaiso.

Reisebericht ­Chile 2003
La Serena bis Valparaiso

3. April 2003

Liebe Freunde,

hier kommt mein letzter Bericht von dieser Reise. Ich hoffe, es hat Euch Spaß gemacht, von meinen Erlebnissen zu lesen, und ich konnte Euch inspirieren, auch bald mal wieder die Koffer (oder wesentlich besser: den Rucksack) zu packen.

Meine Reise im Schlafwagenbus war ganz nett, wesentlich entspannter und komfortabler als normale Liegesitze, aber dann wiederum auch nicht das große Erlebnis. Eine Ergänzung zum Thema Straßenkontrollen: Es scheint sie nur im Norden des Landes zu geben. Eine noch profanere Erklärung der Kontrollen sagt, dass es nicht so sehr um Drogen geht, sondern sich eigentlich um Zollkontrollen handelt.

In La Serena ging es gleich weiter nach Vicuña, einem kleinem Ort im Elqui-Tal, wo die Gemeinde eine Sternwarte betreibt, in der man auch tatsächlich durchschauen kann. Tagsüber habe ich einen Ausflug nach Pisco-Elqui gemacht, dem Zentrum der chilenischen Pisco-Produktion, einem sehr jungen Weinbrand, der hauptsächlich zum Mischen verwendet wird. Ich habe eine Führung durch eine der Winzereien/Brennereien besucht und auch ein bisschen was gelernt. Das Tal selbst ist sehr idyllisch, man kann wandern oder reiten. Außerdem gibt es in Vicuña noch ein Insektenmuseum, und nachdem ich gesehen habe, was es für große Viecher gibt, sollte ich es mir vielleicht doch noch mal überleben, ob ich so bald noch mal in den Dschungel möchte. Ist doch komisch, vor den großen Viechern graust es uns, dabei sind es in aller Regel die kleinen, die die Probleme machen, Mücken, Wanzen, Ameisen …

Elqui Tal, Chile
das Elqui Tal

Am Abend dann die Fahrt zur Sternwarte. Es war gerade Halbmond, abnehmend, das heißt, dass der Mond erst sehr spät aufgeht, der Blick auf unseren Trabanten blieb mir also verwehrt, aber auf der anderen Seite heißt das auch, dass der Himmel viel dunkler und kontrastreicher ist. Nun, die hiesigen Teleskope sind nicht zu groß, um sie zu fotografieren, im Gegenteil sie sind ganz handlich, mit einer Länge zwischen einem und zwei Metern und Spiegeln zwischen 30 und 40 Zentimetern. Der gleichzeitig beobachtete Bereich entspricht ca. 30 Bogenminuten, also dem Durchmesser des Mondes, die Vergrößerung liegt um das 100-fache. Das reicht aber immerhin, um den Saturn und seine Ringe zu sehen, den Jupiter, seine Streifen auf der Oberfläche und seine Monde als kleine leuchtende Punkte. Auch meinen Nebel im Schwert des Orion habe ich durchs Teleskop gesehen, so stark vergrößert wirkt er tatsächlich nur wie ein leichter Schleier mit ein paar kleinen Sternen darin. Es handelt sich um eine der Regionen in unserer Milchstraße, in der Sterne geboren werden. Es ist auch faszinierend, dass man hier mit bloßem Auge zwei Galaxien sehen kann, die Große und die Kleine Magellansche Wolke, die große ist achtmal größer als der Mond. Ihr könnt Euch das übrigens alles zu Hause ansehen, es gibt ein faszinierendes und gutes Programm, dass es für zwei Wochen zum ausprobieren kostenlos gibt. Ihr findet es unter https://www.starrynight.com/ (ist aber 50MB groß).

Sternwarte von Vicuña, Chile. Ein Mädchen sieht durch ein Teleskop.
die Sternwarte von Vicuña

Der beeindruckenste Teil stand aber nicht auf dem Programm: Ich habe die größte Sternschnuppe meines Lebens gesehen. Aber das wird Euch nichts sagen, auch nicht, wenn ich Euch sage, dass es auch die größte Sternschnuppe war, die unser Führer je gesehen hatte, und der beschäftigt sich seit 11 Jahren mit Astronomie, arbeitet seit drei Jahren nebenher für die Sternwarte und lebt in einer der besten Regionen der Welt, was Astronomie angeht. Was ist überhaupt eine große Sternschnuppe? Lang, klar, schnell, langsam kann man sich ja vorstellen, aber groß?

Vielleicht hilft es Euch, wenn ich sage, dass das Ding eine Art Schock ausgelöst hat. Kennt Ihr das Gefühl, wenn Ihr knapp einem gravierenden Unfall entkommen seid, und Ihr anschließend einen Schmerz in der Brust spürt, der die Atmung einschränkt? Das hatte ich und konnte die Nachwirkungen noch bis zum nächsten Morgen spüren.

Vielleicht ist aber auch Sternschnuppe das falsche Wort und ich spreche lieber von einem Meteorit. Wir waren gerade am Ende unserer Beobachtungen, ich war schon reichlich müde, als es plötzlich über uns in der Atmosphäre zu glühen begann, der glühende Punkt rasch größer wurde und bald die Helligkeit eines Schweißgerätes erreichte, dabei aber ungleich größer war und in verschiedenen Farben, vorwiegend kupfergrün, strahlte/dampfte, mir fehlen die Worte. Das Ding wuchs rasch an, wurde immer größer, bis es dann augenblicklich erlosch. Dieses Anwachsen war wohl zum guten Teil für den Schock verantwortlich, den es in mir ausgelöst hat, denn es war für mich nicht abzusehen, wieweit es weiter wachsen würde und ob gleich irgendwo ein furchtbarer Einschlag erfolgen würde. All das passierte in Sekundenbruchteilen, obwohl die Zeit schwer einzuschätzen ist. So, und wer es sich immer noch nicht vorstellen kann, soll es mal mit dem Film “Disneys Dinosaurier” versuchen, so um Minute 18 herum … das ist dann aber ein oder zwei Nummern größer / schlimmer als das, was ich gesehen habe.

Am nächsten Morgen ging es zurück nach La Serena. Hier wollte ich eigentlich Strandurlaub machen, aber das Wetter spielte nicht mit, da es hier im Landesinneren fast immer sonnig, an der Küste aber oft bewölkt ist, da die kalte Humboldtströmung verhindert, dass die Wolken über die Berge ziehen. Das ist auch einer der Gründe, warum man hier die Sterne so gut beobachten kann. Generell ist Chile nicht unbedingt das Land für Badeurlaub. Es gibt zwar unendlich viele und unendlich lange wunderbarste Sandstrände, aber prinzipiell gibt es an vielen Stränden sehr gefährliche Strömungen, so dass Baden unangebracht / verboten ist, zweitens ist das Wasser südlich von Antofagasta wegen eben dieser Strömung mit zwölf bis vierzehn Grad reichlich kalt. Ich hab’s ausprobiert, superschön und klar, aber schweinekalt. Bleibt also Sonnenbad, was wegen dem Ozonloch mit Vorsicht zu genießen ist. Und meidet den Hochsommer (Dezember bis Februar), da sieht man nämlich nichts vom Strand so gepackt voll ist es.

Ich habe die durchaus schöne Stadt La Serena also nur für zwei Stunden besichtigt und bin dann wieder in den Bus und weiter nach Viña del Mar, kurz vor Santiago. Im Bus hatte ich mitbekommen, dass ein älterer Herr zwei Reihen vor mir ein Telefonat führte, dass aus einer sehr willkürlichen Mischung aus perfektem Deutsch und perfektem Spanisch bestand. Ich wurde daraus nicht ganz schlau und fragte beim Aussteigen in Viña, wo er denn her sei. Von hier, sagte er und fragte, wo ich her sei und ob ich schon ein Hotel hätte. Nein, sagte ich und er sagte mehr, als das er fragte “Dann kommen Sie mit zu uns nach Hause?!” So kam es, dass ich ganz unvermittelt und mit geradezu schlechtem Gewissen vor empfangener unvermittelter Gastfreundschaft das dortige Gästezimmer bezog. Erwin ist Sohn deutscher Immigranten, der Vater aus Altona, was man Erwins Deutsch auch ganz klar anhört, seine Frau Norma, die die Arbeit mit der von ihm ausgesprochenen Einladung hat, spricht zwar perfekt deutsch, das hat sie aber von den hier sehr beliebten deutschen Schulen und natürlich 50 Jahren Ehe.

meine Gastgeber in Viña del Ma
meine Gastgeber in Viña del Ma

Am nächsten Tag habe ich die Stadt besichtigt und bin ich stundenlang an verschiedensten Stränden entlanggelaufen, sogar eine Seelöwenkolonie gibt es (ohne Fernglas sieht man aber nur braune Flecken auf nem Fels, mit ist es recht unterhaltsam: die sind riesig, machen nicht viel, sonnen sich und schlafen, zanken sich ein wenig und ab und zu fliegt einer ins Wasser, wenn ein größerer neben ihm sich umdreht, ohne dabei aufzupassen).

Viña del Mar, Chile
Viña del Mar

Wieder einen Tag später dann Valparaiso, eine ehemals sehr reiche Stadt, die aber deutlich ärmer und unsicherer geworden ist. Trotzdem ist noch viel der Schönheit zu bestaunen und zu fotografieren, es gibt viele alte, bunte Häuser und man wandert durch die Hügel, die man als Fußgänger am besten mit diversen kleinen Aufzügen / Seilbahnen erreicht.

Valparaiso, Chile
Valparaiso
Aufzug in der Stadt Viña del Mar, Chile
Einer der Aufzüge, dieser ist jedoch aus Viña del Mar.

Zum nächsten Reisebericht