Für Valentina.
Einmal, als der kleine Fabian ungefähr acht Jahre alt gewesen ist, ist er mit seinen Eltern über Ostern in die Berge gefahren. Aber es ist noch ganz kalt gewesen und es hat viel geregnet. „Ich will nicht spazierengehen”, rief Fabian. Aber es half nichts und er musste mit. Ewig musste er seinen Eltern hinterherlaufen, durch den Wald, bergauf und bergab. Irgendwann haben dann seine Eltern nicht so genau aufgepasst und er ist zu einem Fluss gelaufen, ohne dass sie es bemerkt haben. Und während seine Eltern weitergelaufen sind, hat Fabian Stöcke ins Wasser geworfen und Steine hinterher und es hat geplatscht und gespritzt, so dass Fabian seine Eltern gleich vergessen hat. Und noch ein Stein und noch ein Stock: Plitsch und Platsch.
Währenddessen sind seine Eltern immer weiter gegangen und waren schon ganz weit weg, als seine Mutter fragte: „Fabian, hast du eigentlich noch irgendwelche Hausaufgaben auf?” Keine Antwort, weil Fabian ja gar nicht da war. „Fabian!” rief seine Mutter und drehte sich um, aber sie konnte Fabian nicht sehen. „FAAABIAN!” schrie sie. Aber Fabian war so weit weg und der Bach rauschte so laut, dass er seine Mutter nicht hörte. Und da haben seine Mutter und sein Vater Angst bekommen und sind zurückgelaufen und gelaufen und haben gerufen und geschrien.
Und von weitem haben die beiden schon das Spritzen und Platschen der Steine und Stöcke gehört und da haben sie auch Fabian endlich wieder gesehen. Aber wiedererkannt hätten sie ihn beinahe nicht, denn es war ziemlich schmutzig und matschig am Flussufer. „Du Schweineigel!” rief seine Mutter, „Du Schmutzbär!”, denn Fabian war von oben bis unten von einer dunkelbraunen Matschschicht überzogen und sehen konnte er eigentlich auch nichts mehr, weil seine Brille total mit Schlamm verschmiert war. „Du Schmierfink”, rief seine Mutter noch, aber das stimmte eigentlich gar nicht, schließlich hatte er ja nur sich selber schmutzig gemacht. „Warte nur, wenn wir im Hotel sind, stecke ich dich als erstes in die Badewanne und dann wirst du geschrubbt, bis du nicht mal mehr ein Sandkorn unter den Fingernägeln hast.” „Brr”, dachte Fabian, „schon wieder Baden.” Aber protestiert hat er dann trotzdem nicht, weil ihm ganz schön kalt geworden war und das viele Steinewerfen ihn auch ziemlich müde gemacht hatte.
Ins Hotel sind sie dann ganz schnell gekommen und der Papa hat ein bisschen geschimpft, weil das Auto dreckig geworden ist, wo der Fabian gesessen ist. Und schwups saß Fabian auch schon in der Badewanne. „Da bleibst du jetzt”, sagte seine Mutter, „jetzt lasse ich dich fünf Minuten einweichen und dann wird geschrubbt.” Und dann ist sie ins Wohnzimmer gegangen und hat sich vor den Fernseher gehockt.
Und wie sich Fabian zurückgelehnt hat, ist auf einmal was ganz Seltsames passiert: Die Badewanne fing an zu wachsen und zu wachsen und bald war sie so groß wie ein See und dann so groß wie ein Meer. „Prima”, hat sich der Fabian gedacht, „dann schwimme ich jetzt so weit raus, dass mich meine Mama nicht mehr findet, denn wen man nicht findet, den kann man auch nicht schrubben.” Und er ist geschwommen und geschwommen, bis er die Wände vom Badezimmer nicht mehr gesehen hat. „Das reicht”, hat er sich gedacht und ist nur noch ganz langsam weiter gepaddelt.
Auf einmal ist er an einer Ente vorbeigekommen. „Hallo, liebe Ente”, hat Fabian gesagt, aber die Ente hat nur „Mööp” gesagt, denn sie war gelb und aus Gummi und „Mööp” ist das einzige was gelbe Gummienten sagen können. „Mööp, Mööp”, hat sie noch ein paar Mal gesagt, aber das fand Fabian ziemlich langweilig und ist weiter geschwommen.
Als er noch ein Stück weiter geschwommen war, hat Fabian dann auf einmal eine Flosse durchs Wasser fahren gesehen. „Uih, Hilfe, ein Hai”, hat Fabian gedacht, aber dann ist der Fisch aus dem Wasser gesprungen und Fabian hat gesehen, dass es ein Delphin war und kein Hai. „Glück gehabt”, hat er gedacht, „Delphine sind lieb und ganz klug.” Also hat er „Heh, Delphin, komm her!” gerufen, und das hat der Delphin dann auch gemacht. „Hallo, lieber Delphin”, hat Fabian gesagt, aber der Delphin hat nur „Sssssssssssssssssssssss” gemacht, den er war aus Plastik und zum Aufziehen, und „Sssssssssssssssssssssss” ist das einzige, was Plastikdelphine zum Aufziehen sagen können. Da ist Fabian dann einfach weiter geschwommen, denn wenn man sich mit jemanden unterhalten will, der immer nur „Ssssssssssssssssssssss” sagt, dann ist das ziemlich langweilig.
Und wie Fabian dann so weiter geschwommen ist, hat er nicht aufgepasst und ist in einen großen Schaumberg hinein geschwommen und da hat er auf einmal gar nichts mehr gesehen. „Mist”, hat sich Fabian gedacht, „warum muss ich auch immer soviel Schaum machen, wenn ich in die Badewanne gehe, selber schuld.” Aber da war es auch schon zu spät gewesen und es hat „Blonk” gemacht und Fabian ist mit einem kleinen Dampfer zusammengestoßen. „Entschuldige und Hallo, lieber kleiner Dampfer”, hat Fabian gesagt, aber der kleine Dampfer hat nur „Blub, Blub” gemacht und ist untergegangen, den kleine Dampfer gehen kaputt, wenn sie mit jemandem in einem Schaumberg zusammenstoßen.
Fabian wollte gerade richtig Mitleid bekommen mit dem kleinen Dampfer, als der Schaumberg zu Ende war, und er auf einmal feststellte, dass er trotzdem nichts mehr sehen konnte, denn beim Zusammenstoß mit dem kleinen Dampfer war ihm die Brille runter gefallen und versunken. „Hilfe”, hat Fabian gerufen, denn ohne Brille konnte er nichts sehen, nicht mal wohin er schwimmen musste. Aber auf einmal war da ein kleiner gelber Fleck, die Ente, und er sagte. „Liebe Ente, ich habe meine Brille verloren und kann nichts mehr sehen, bitte hilf mir.” „Mööp”, sagte die Gummiente, und das hieß „Klar, mache ich junger Freund” und sie schwamm davon und rief „Mööp, Mööp”, was soviel bedeutete wie „Hallo, Delphin, wir brauchen jemanden, der so gut tauchen kann, wie du!” Und nach ein paar Sekunden machte es „Sssssssssssssssssssssss” und da kam auch schon der Delphin, und Fabian sagte. „Lieber Delphin, ich habe meine Brille verloren und sehe nichts mehr, bitte hilf mir!“ „Sssssssssssssssssssss” sagte der Delphin und ist untergetaucht. Das hat dann ein wenig gedauert und dann ist er wieder aufgetaucht, aber er hatte nicht die Brille im Maul, sondern hat den kleinen Dampfer wieder nach oben gezogen. „Aber das ist ja gar nicht meine Brille”, rief Fabian, aber er war schon ein wenig froh, dass dem kleinen Dampfer nichts passiert war, „Tuuut, Tuuut”, machte der kleine Dampfer und fuhr davon. „Tuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuut” „Was ist denn jetzt mit meiner Brille?” fragte Fabian den Delphin, aber der schaute ihn nur mit schrägem Kopf an und machte noch zwei Mal kurz „Sss, Sssss”, dann nichts mehr. „Ach! Aufziehen muss ich dich”, sagte Fabian und drehte ein paar Mal an der Schraube, die der Delphin auf der linken Seite hatte und „Sssssssssssssssssssssssss” tauchte der Delphin wieder unter. Ein paar Sekunden später hatte Fabian dann seine Brille wieder und konnte alles wieder klar sehen. „Danke, liebe Freunde”, rief er und der Delphin „Sssssssssssssssssssss” und die Ente „Möööp Möp Möp” schwammen davon.
Nun war die ganze Aufregung vorbei und Fabian merkte auf einmal, wie er müde wurde. „Jetzt muss ich aber schnell nach Hause schwimmen.”, dachte er sich und machte sich auf den Rückweg. Und als er dann endlich wieder das Badezimmer sehen konnte, schwamm er mit letzter Kraft weiter und erreichte gerade noch den Badewannenrand, an dem er sich festklammerte und augenblicklich einschlief.
Plötzlich wachte er aber mit einem Schrecken wieder auf, weil er dachte, die Badewanne ginge unter, so rüttelte auf einmal alles, aber es war nur seine Mutter, die ihn an den Schultern schüttelte und sagte: „Hey, du darfst mir doch nicht in der Badewanne einschlafen, das ist gefährlich.” Dann langte sie ins Wasser und holte seine Brille vom Boden herauf. „Das nächste Mal ziehst du die Brille aus, bevor du in die Wanne steigst, sonst setzt du dich noch drauf und machst sie kaputt.” Dann sagte sie nichts mehr, wusch ihm die Haare, schrubbte Gesicht, Hände und Füße, duschte, trocknete ihn ab und trug ihn ins Bett. Fabian hat das alles nicht mehr mitbekommen, denn er war schon längst wieder eingeschlafen und träumte von seinen Freunden, dem Aufziehdelphin, der gelben Gummiente und dem kleinen Dampfer.
© Volker Umpfenbach, Alpach, 28.03.1997