Die Geschichte vom dicken Bären Bruno

Für Valentina.

In einem kleinen Wald lebte einmal der dicke Bär Bruno. Bruno war wirklich sehr dick, so dick, dass er sich gar nicht richtig bewegen konnte. Aber er dachte von sich, dass er der schönste Bär überhaupt wäre, den es je gegeben hatte. Er hat das gedacht, weil das immer alle Tiere im Wald zu ihm gesagt haben. „Oh Bruno!”, haben sie zu ihm gesagt, „Du bist der allerschönste Bär aller Zeiten!” Und wenn er dann stolz davon gestapft ist, haben sich die ganzen Tiere vor Lachen die Bäuche gehalten. „Mann, ist der dick und hässlich.”, haben sie gesagt, „Und doof auch noch!”, hat ein Eichhörnchen gekichert.

So ist das ganz lange gegangen, aber dann ist eines Tages ein Rabe aus einem anderen Wald zu Besuch gewesen, und der wusste natürlich nichts davon. Als Bruno den Raben gesehen hat, hat er sich aufgerichtet und gesagt: „Hallo Rabe! Du bist doch schon so weit umher geflogen, aber einen so schönen Bären wie mich hast du sicher noch nie gesehen, oder?” „Bitte?”, hat der Rabe gefragt, „Schön sagst du? Ich habe noch nie einen so fetten und hässlichen Bären wie dich gesehen.” Und dann ist der Rabe dem verdutzten Bruno dreimal um den Kopf geflogen und hat sich davon gemacht. „Lauter Verrückte!” hat er sich gedacht.

Aber Bruno hat das nicht ernst genommen, „Jeder schöne Bär hat einen Bauch!” hat er sich gedacht. „Aber wenn der auch keine Ahnung von schönen Bären hat, kann ich mich ja vielleicht doch noch schöner machen. Was ich brauchen könnte, wäre ein wenig Schmuck!” Dann hat er lange überlegt, was das denn für ein Schmuck sein könnte. Und weil die einzigen Tiere mit Schmuck die Kühe sind, hat er sich gedacht, „Dann besorge ich mir jetzt eine Kuhglocke, dann hört man immer, wenn ich komme, eine schöne Musik, und die anderen Tiere im Wald freuen sich noch mehr, wenn sie mich sehen.

Gesagt getan und er ist, als es dunkel wurde, zu einer Weide gelaufen. Als er versucht hat, über den Zaun zu klettern, hat er ihn ganz kaputt gemacht und als er dann in der Mitte der Weide stand, waren alle Kühe durch das Loch im Zaun abgehauen, bis auf eine, aber die hatte gar keine Glocke und war auch gar keine Kuh, sondern ein Stier und der war ganz schön wütend, weil seine Kühe jetzt weg waren. Und wie der Bruno da mitten auf der Wiese stand, ist der Stier auf ihn zu gerannt und hat ihm den Kopf so in den dicken Hintern gerammt, dass Bruno durch die Luft geflogen ist, weit über den Zaun segelte und erst am Waldrand wieder gelandet ist. Da hat ihm sein Hintern aber ziemlich weh getan und er ist kaum bis nach Hause gekommen. Dort hat er sich dann auf den Bauch gelegt und drei Tage nur gejammert.

Mit der Zeit hat er dann aber Hunger bekommen und weil Kranke ja immer was Gutes zu essen bekommen müssen, hat er sich ganz dringend Honig gewünscht. Honig gibt es bei den Bienen und Bruno ist zu einem Bienenstock gelaufen, aber die Bienen haben geschrien „Ssssssssssssss sssss sssssssssssssss”, was soviel bedeutet, wie „Achtung! Bärenalarm!” und eine Biene hat den Bruno mitten in die Nase gestochen. Da ist der Bruno gleich wieder davongelaufen und hat sich in seine Höhle gelegt. Später hat er sich dann gedacht: „Honig gibt es auch beim Förster, da muss ich zwar aufpassen, aber das ist sicher einfacher als mit den Bienen.”

Und wie Bruno sich ans Haus des Försters schleicht, da sieht er doch, dass der Förster vor dem Haus in der Sonne laut schnarchend eingeschlafen ist und dass die Haustür offen steht. Bruno also immer der geschwollenen Nase nach, direkt in die Küche und da steht ja auch gleich ein ganzer Eimer Honig. Den Förster hat Bruno dann erstmal vergessen und den halben Eimer aufgefuttert. Dann hat er den Eimer wieder zugemacht, damit für den nächsten Tag auch noch was da war. Aber als er gerade wieder aus dem Haus will, bleibt sein dicker Hintern an einer Vase hängen, es gibt einen lauten Knall, viele Scherben, der Förster wacht auf und denkt sich “Welch ein Krach, ich schau mal nach!” Der Bruno hat noch versucht sich ganz schnell hinter dem Vorhang zu verstecken, aber dafür war zu ungeschickt und ratz fatz hat er sich total im Stoff eingewickelt, ist umgefallen, der Vorhang ist abgerissen und so stand der Förster vor einem total gefesselten Bären in seinem Wohnzimmer. “Uih, ist der dick!” dachte der Förster, “Kein Wunder, da hat er ja noch meinen Honigeimer. Na warte, für dich weiß ich schon was.” Und der Förster hat den dicken Bruno in einen Käfig gesperrt und ihm einen Monat nur Karotten und Salat zu fressen gegeben, bis Bruno ganz schlank war. Und weil Bruno auch noch versucht hat auszubrechen und mit aller Kraft ständig an den Gitterstäben gezogen hat, ist er nicht nur dünn, sondern auch bärenstark gewesen, als ihn der Förster wieder freigelassen hat.

So ist dann Bruno wieder in den Wald gekommen. Als ihn die Tiere gesehen haben, haben sie ihn gar nicht erkannt und gesagt “Oh, du bist aber ein schöner Bär, dich sollte man mal dem hässlichen Bruno zeigen, der ist so fett und hässlich und hält sich auch noch für den tollsten Kerl.” “Ich bin aber der Bruno”, hat Bruno gesagt und hat die Tiere erstmal alle tüchtig vermöbelt.

© Volker Umpfenbach, Alpach, 30.03.1997

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